HUBERT LOBNIG
WILLKOMMEN-BIENVENUE-WELCOME, Kommunikationsbüro, Bricks & Kicks, Kunsthalle Exnergasse; Wien

1996








WILLKOMMEN-BIENVENUE-WELCOME, 1996

Kommunikationsbüro, Bricks & Kicks, Kunsthalle Exnergasse

Astrid Benzer, Julia Ezergailis (Heidrun Holzfeind), Ulrike Müller, Klaus Taschler, Friedrich Rücker, Roland Rust, Maria Richle, Andrea Gergely und Oliver Hangl, Anita Leisz, Monika Jaksch  

Kuratiert von Hubert Lobnig und Barbara Stelner


Willkommen 12.‑14.4.1996 Kommunikationsbüro, Wien
Bienvenue 10.‑12.5.1996 Apostelhof, Wien
Welcome 12.6.- 13.7.1996, Kunsthalle Exnergasse, Wien

Unter dem Motto Willkommen Bienvenue Welcome versammeln sich jüngere Künstler und Künstlerinnen zu einem gemeinsamen Projekt, das im April im Kommunikationsbüro in der Schottenfeldgasse seinen Anfang nahm im Mai im Apostelhof fortgesetzt wurde und einen Endpunkt im Juni 1996 in der Exnergasse fand. Die Öffnungsdauer pendelte zwischen einigen Tagen und mehreren Wochen. Die Struktur von Willkommen Bienvenue Welcome entsprach dabei den vorgestellten Arbeiten: Verschiedene Phasen der künstlerischen Auseinandersetzung wurden in eine Reihe von Einzelprojekten übertragen und aufeinander bezogen.

"Heiteres Beisammensein wünschte Astrid Benzer" im Rahmen der "Komm doch mal vorbei GesmbH." Mit ihrem Postkartenservice organisierte die Künstlerin Treffen zwischen verschiedenen Personen und übernahm dabei samtliehe Schreibarbeiten. Im zweiten Teil von Willkommen Bienvenue Welcome übertrug Astrid Benzer das Prinzip des heiteren Beisammenseins auf ein, von ihr eigens entwickeltes Gesellschaftsspiel. Im dritten Teil bot sie ein Freizeitbarometer an: "Gehen Sie hinaus und treffen Sie den Mann ihres Lebens", lautete z.B. eine der Forderungen.

Mit "Grüß Gott" und "Auf Wiedersehen" wurden die Passanten entlang der Linie U4 begrüßt und verabschiedet. Julia Ezergailis "Begrüssungskommitee" war zwischen dem 9.4. und 12.6. unterwegs, die Stationen wechselten sich ab. Ausgestattet mit einem Verhaltenskodex und roten Namensschildern, erleichterten die adrett aussehenden jungen Leuten den Einstieg in den Tag oder Feierabend. Im Mai schickte Julia Ezergailis die Postkartenserie "greetings from japan" von ihrem damaligen Aufenthaltsort an die zweite Ausstellungsstation in der Apostelgasse und an andere Kunstinstitutionen in Osterreich. Für den dritten Teil von Willkommen Bienvenue Welcome hat sie eine befreundete Künstlerin -Heidrun Holzfeind- gebeten, ihr U-Bahn Projekt nach eigenem Gutdünken fotografisch zu dokumentieren.

"Lieb mich", "Sei mein", Slogans, die Liebe, Nahe oder Freundschaft ausdrucken und vorzugsweise auf Traubenzuckerherzen zu finden sind, stellten die Arbeitsanregung von Ulrike Müller im ersten Teil von Willkommen Bienvenue Welcome dar. Unter dem Motto "Working for Love" stickte sie diese, auf den ersten Blick innigen Worte, auf Kissen und Schurzen und reflektierte damit das Umkippen persönlieber Botschaften in industriell und gesellschaftlich hergestellte Stereotypen. Im zweiten Teil des Projektes entwickelte Ulrike Müller einen Fragebogen für die Besucher und Besucherinnen der Ausstellung, der im letzten Teil des Projektes "ausgewertet" und als Wandzeitung veröffentlicht wurde.

Die Videoedition "Klaus Taschlers Gaumenfreuden" spielte auf die Fernsehserien "Meisterkochen" und "Bitte zu Tisch" an. Der Künstler besuchte alle Beteiligten des Projekts Willkommen Bienvenue Welcome und ließ aufkochen. Klaus Taschler selbst sehlupfte in die Rolle des Moderators und kommentierte die Arbeitsablaufe. In der Serie "Klaus Taschler unterwegs" wurden Personen - vorzugsweise in Parkanlagen, aber auch anderen öffentlichen Plätzen - interviewt, was sie gerade lesen und wie sich die jeweilige Geschichte wohl entwickeln wird. Im dritten Teil arbeitete KTV (Klaus Taschler Vision) vor Ort: Während der Eröffnung wurden die Besucher und Besucherinnen nach ihrem Verhältnis zu den beteiligten Künstler und Künstlerinnen befragt.

Friedrich Rücker unternahm im "Elsa-Zyklus" eine ununterbrochene Blickverschiebung. Elsa, die Protagonistin, tauchte in der Rolle der Frau, Mutter, Großmutter in unterschiedlichen Situationen auf, zunächst in Szene gesetzt von ihrem Mann, der die meisten Aufnahmen gemacht hatte, später von ihren Kindern. Ausgangspunkt von Friedrich Rücker war eine Materialsammlung mit rund 15000 Dias und Super 8 Filmen, die er in Diashows und Filmen neu strukturierte und interpretierte. Im dritten Teil von Willkommen Bienvenue Welcome ruckte "Elsa" in die Gegenwart, verlor ihren historischen Bezug und emanzipierte sich: Auf Posters mit weisem Hintergrund posierte sie als Modell.

Roland Rust und Maria Richle boten in ihren ersten Projekten unterschiedliche Möglichkeiten zur Partizipation: In beiden Fallen konnten die Besucher eingreifen und der Arbeit eine weitere Prägung geben. Ob es das Fortschreiben eines Romans bei Maria Richle war, an dem viele Personen beteiligt sind, oder ob man ein A4-Blatt seiner Wahl an Roland Rust weitergab, die Arbeiten entstanden und entstehen aus der Mitwirkung vieler. In einem weiteren Schritt wurden Richles Romane getippt, während Rust zur Losung lebenspraktischer Fragen überging und so einen Dialog zwischen ihm und den Besuchern anregte. Maria Richle zeigte in der Exnergasse (fiktive) Filmplakate der kollektiv verfaßten Romane. Roland Rust erkundete die nähere Umgebung: Lokalbesitzer bekamen Gelegenheit, sich und ihre Restaurants vorzustellen.

Andrea Gergely und Oliver Hangl operierten in ihren Performances unter den Pseudonymen Daniel Rose und La Petite Rouge. Monday, 13th January war ihr Stichtag, an dem sie, einem kurzen Aufblitzen gleich, Einblick in das Leben eines jungen, gluckliehen Paares geben. Der Hinweis auf eine gestellte Filmszene enthüllte sich erst gegen Ende der Vorführung, Teil 2: Die Stimme des Regisseurs aus dem Off gab Anweisungen und korrigierte, die Einstellung wurde wiederholt. In der Kunsthalle Exnergasse wurde nun -nach Küche und Wohnzimmer- eine dritte Location aufgebaut. Den Abschlug von Willkommen Bienvenue Welcome bildete die live "Wiederholung" aller drei Szenen.

"Tarnung kostet", so lautete der Slogan von Anita Leisz, den sie anläßlich des ersten Projektes am Schaufenster der Turek Workshop Company anbrachte. Der Schriftzug wurde an diesem Ort primär zu einer Anspielung auf gängige Modetrends, die man sich bewußt leisten wir!, um dazugehören. Im zweiten Teil von Willkommen Bienvenue Welcome waren die Satze: "Und es gibt kein Dazwischen? ...Absolut kein Dazwischen" an zwei gegenüberliegenden Wanden zu lesen. In der Exnergasse war eine Comic-Zeichnung an der Wand zu sehen, die alle drei Stationen rückwirkend zusammenband und Anita Leisz explizites Interesse an Comics zeigt, auch wenn mitunter der Text isoliert auftaucht.



Der Auftragsdienst von Ruth Kaserer bot während der ersten zwei Teile von Willkommen Bienvenue Welcome nicht nur Gelegenheit für potentielle Interessenten sich bei Treffen vertreten zu lassen, sondern es gab auch die Möglichkeit am Projekt unmittelbar mitzuwirken. In der Exnergasse war via Lautsprecher eine Art Resümee zu hören.

Monika Jaksch lieferte bereits in ihrer ersten Arbeit zusatzliehe Informationen zu den einzelnen Projekten der anderen Beteiligten. Sie nahm Anregungen bzw. Ausgangsmaterialien der anderen Künstler und Künstlerinnen auf und verdichtete sie zum eigenen Projekt. Durch ihre Verknüpfungen führte Jaksch die einzelnen Projekte der Beteiligten zusammen und bot für den Betrachter unterschiedliche Leseweisen an, die sich vom Ausgangsmaterial auch sehr weit entfernen konnten. Im zweiten Teil von Willkommen Bienvenue Welcome verfaßte Jaksch, indem sie vergangene und gegenwärtige Projekte ihrer Kollegen und Kolleginnen in die Handlung integrierte, ein Drehbuch zur Ausstellung. Den Abschlug bildete ein Projekt im Internet, in dem alle entstandenen Arbeiten von Willkommen Bienvenue Welcome integriert wurden.


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